Wandmalereien

Auf allen 4 Wänden der unteren Stube sind Fragmente von Malereien erhalten. Die meisten gehen in Form und Inhalt auf die 1530er Jahre zurück. In der linken oberen Ecke der Nordwand erkennt man Fragmente ornamentaler Malerei, die wahrscheinlich aus einer späteren Zeit stammen (ev. Zusammenhang mit dem Kachelofen, der sicher nach 1540 in der Nordwestecke der Stube gestanden haben muss). Die fast vollständige Ausmalung einer Stube ist für diese frühe Zeit bis jetzt einmalig. Es handelt sich um das älteste Beispiel einer solchen Blockstube im Glarnerland und in der Innerschweiz. 

Die Kelchszene auf der Südwand. Grösstes und wichtigstes Fragment der Ausmalung.

Breitbeinig dastehender Mann mit rot, blau und gelb (od. ocker) gestreiften, eng anliegenden Hosen und einem fast schwarzen, gemusterten Hemd mit weiten Aermeln und weitem Halsausschnitt. Darunter trägt er ein weisses Hemd mit gelben Bordüren und um den Hals eine Kette. Auf dem Kopf ein breitkrempiges, ockerfarbenes Barett mit roter Musterung, geschmückt mit einer Feder und ganz über das rechte Ohr gezogen. Das Gesicht ist eher jung und völlig bartlos. Die Augen übergross, die Lippen stark hervorgehoben. Die Erscheinung wirkt edel und fast feminin. Mit der linken Hand hält der Mann einen Zweihänder, den er an seinem Gurt trägt. Mit der rechten Hand nimmt er einen, von einer Frau gereichten, Kelch entgegen. 

Die Frau ist nur fast halb so gross dargestellt wie der Mann. Sie trägt eine festliche Tracht und eine Haube. Auf dem Kleid sind kaum Farben zu erkennen, der Rock dürfte jedoch rot gewesen sein, die Haube hat dieselbe Farbe wie der Hut des Mannes. Das Kleid ist lang, figurbetont und schulterfrei mit weiten Aermeln. Um den Hals trägt die Frau eine Kette. Die Augen sind geschlossen oder – wie der ganze Kopf – demütig zu Boden gesenkt. Die Haare sind vollständig unter der Haube versteckt. 

Die Kleidung des Mannes ist eindeutig „deutscher“ Art. Dies verweist auf Einsätze in fremden Diensten im Elsass oder in Flandern. Die Bauernkriege von 1525 hätten z.B einem Glarner Gelegenheit geboten, nördlich des Rheins zu Ruhm und Geld zu kommen. 

Die Darstellung eines gerüsteten Mannes, der aus den Händen einer Frau ein Trinkgefäss entgegennimmt, kennen wir von Glasscheiben aus dem 16. und 17. Jh. Meist liessen sich das Familienoberhaupt und seine Frau so darstellen. Solche Bauernscheiben gibt es dutzende im Freulerpalast. Das Gemälde im Rysläuferhuus ist die älteste bekannte Darstellung dieser Szene in der Schweiz. Vielleicht hat der Besitzer in fremden Diensten viel Geld verdient und zeigte dies mit der vollständigen Ausmalung seiner Stube mit einer Szene, die seine Rückkehr darstellte.

Ueber dem Kopf der Frau weht eine Fahne, auf der neben unidentifizierbaren Initialen die Zahl 153°  zu lesen ist. Ob die letzte Zahl eine 8 oder eine offene 8, also eine 4 ist, lässt sich nicht mehr sagen. 

Weiter links  ist das Wappen Zürichs zu sehen. (Die Glarner Führungsschicht unterhielt engste Beziehungen zur Limmatstadt. In Zürich kaufte man Salz und Getreide, nach Zürich verkaufte man die Produkte des Landes. Viele reiche Glarner Familien besassen Stadthäuser in Zürich und wohnten vielleicht die meiste Zeit auch dort). Zwei weitere Wappen wurden bei der Erweiterung des Fensters fast vollständig herausgeschnitten und sind nicht mehr zu identifizieren.

Die ganze Szene ist umgeben von grünen Ranken mit gelben Blüten, in denen Singvögel sitzen. Zu Füssen des Mannes wachsen Grasbüschel. 

Die Wände gegen Osten, Norden und Westen. Auf der Ostwand sind ebenfalls Ranken gemalt. Rechts der gotischen Türe an der Nordwand sind Ranken mit Vögeln zu sehen. Die Ranken auf der Ost- und Nordwand sind allerdings von anderer Art als jene auf der Südwand, sie wirken weniger grob, braun und nicht grün. Ev. gemalt von einem Gehilfen oder mit anderer Farbe, die sich anders entwickelt und gehalten hat. 

Die Striche und Farben auf dem Balken auf der Nordseite rechts  neben der Tür passen nicht zu den Ranken und stellen nichts Erkennbares dar. Der Balken muss aus einer anderen Wand der Stube stammen, ev. aus der Westwand. 

Dreiviertel der Westwand wurden zwischen 1540 und 1608 herausgebrochen, ev. wurde auch das bemalte Holz dieser Wand anderweitig verwendet. Heute sieht man noch 2 Tiere links von 3 artischockenartigen Bäumen. Das eine ist ev. ein Reh, das andere ein Hase. Auf dem Baum sitzt ein roter Vogel. Die Grössenverhältnisse stimmen nicht. Die Ranken auf dieser Wand haben rote statt gelbe Blüten. 

Technik und Stil der Malereien. Alle Malereien aus der Zeit um 1534 sind in der sogenannen Seccotechnik angebracht worden. D.h. die Farbpigmente wurden vor dem Auftragen mit Bindemittel vermischt. Als Bindemittel diente dabei wahrscheinlich Leimwasser oder Ei-Emulsion. Stösse der Bohlen wurden mit Leinwandstreifen abgeklebt, dann wurde eine sogenannte Schlämme aufgetragen, um den Untergrund auszuebnen. Dieser wurde mit Gips, Kalk oder Kreide grundiert. Alle Rohstoffe für diese Technik konnten in unserer Region beschafft werden.  Der Malstil ist grafisch und zeichnerisch. Der Künstler war möglicherweise vom Holzdruck beeinflusst. Häufig sind die Konturen mit schwarzer Farbe gezeichnet. Bei den Ranken trifft dies nicht zu; sie wurden ohne Vorzeichnung deckend gemalt.  Vor allem das Rankenwerk entspricht einem gängigen Muster dieser Zeit. Ranken und Tiere – wie die Singvögel – stammten damals häufig aus vorgedruckten Musterbüchern und dienten als Beiwerk zur Hauptszene, hier dem Ueberreichen des Kelchs. 

Wer der Maler war, wissen wir nicht. Die Vermutung, dass es sich um einen auswärtigen Meister handelte, liegt nahe.